Donnerstag, 26. April 2012

Privater Ertragsverlust statt Staatshaftung

Die Bundesregierung hat sich seit Eintreten der Finanzkrise in zwei Zwangslagen hineinmanövrieren lassen: Erstens Bankenrettung, zweitens Griechenlandrettung!

A: Die Bankenrettung war Ausdruck der Sorge um einen „Zusammenbruch“ des Bankensystems. Der Grund dafür, daß man überhaupt von einer Zusammenbruchsgefahr sprechen konnte war ja nicht etwa der “Zusammenbruch” einer bekannten Investmentbank, sondern die Konkursregeln, welche darauf hinwirkten, daß vielen Finanzmarktteilnehmern klar wurde, daß die Beachtung von Liquiditätsregeln nicht nur eine theoretische Bedeutung hat. Der gegenwärtige Stand der Dinge sieht vor, daß sowohl bei Illiquidität (Zahlungsunfähigkeit) sowie bei Überschuldung ein Konkursantrag gestellt werden muß! Dabei gilt im Zusammenhang mit Banken: Illiquidität kann IMMER durch die Zentralbank verhindert werden (auch und insbesondere im Falle eines bank-run) während Überschuldung bei einer Geschäftsbank im mittelfristigen Zeitablauf fast immer herauswächst, da die Aktivseite einer Bankbilanz i.d.R. schneller wächst als die Passivseite!

B: Die Griechenlandrettung war eine derivative Bankenrettung, da hier – wie bei A – die Folgen der Abschreibung von griechischen Staatspapieren Rückwirkungen auf den Vermögenstatus der Gläubigerbanken haben.

Ordnungspolitisch gesehen gibt es weder für A noch B eine Rechtfertigung dafür, daß die Bundesregierung (mit anderen Regierungen) dafür geradesteht, daß private Vermögen vor einem Verlust zu schützen sind. Einzig kann vorgebracht werden, daß in der Vergangenheit die Anlagerichtlinien für die Verwaltung von „schützenswerten“ Anlagen (Pension, Mündel etc.) auf Staatspapiere ausgerichtet war. Insofern ist der Vorwurf seitens der Banken, daß daraus durchaus eine Mitverantwortung der Regierungen resultiert, durchaus nachvollziehbar und damit die gegenwärtige aktuelle Schieflage bei den Banken auch als Fehleinschätzung über die absolute Sicherheit von Staatsanleihen zu begreifen.

Die Kontroverse um die Nachhaltigkeit der Staatsverschuldung existert in Deutschland zwar schon seit 50 Jahren, jedoch ist sie dadurch überlagert worden, daß die Wachstumsraten Deutschlands in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Bildung von wertfixiertem und ertragsfixiertem Nettogeldvermögen in Form der Staatsanleihen möglich gemacht haben. Gleichzeitig ging damit einher, daß damit quasi auch Kredite an Unternehmen gegen konjunkturelle Schwankungen „abgesichert“ werden konnten, insofern als die permanent steigende Staatsverschuldung über den Nachfrageeffekt die Werthaltigkeit privaten Kapitals stützte.

Ein anderes Problem entstand nach Einführung des EURO und betrifft den Irrtum der Finanzmärkte, daß eine einheitliche Währung auch ein einheitliches Ausfallrisiko bedeutet. Das heißt, daß die niedrigen Zinssätze Folge einer vermeintlichen Verringerung des Anlegerrisikos waren und infolgedessen die Kreditvergabe vielfach ohne ernsthafte Bonitätsprüfungen erfolgte. Das Ergebnis dieser Fehleinschätzungen führte dann zu der Notwendigkeit, die notleidenden Institute mit nicht marktkonformen Instrumenten - mehr oder weniger künstlich - am Leben zu erhalten.

Die Strategie, die herrschenden Verhältnisse dadurch zu „retten“, daß die von den Finanzinstituten nicht adressierten Risiken nunmehr für diese konsequenzlos auf den Staat übertragen werden bedeutet, daß ordnungspolitisch ein Verstoß gegen die Prinzipien marktwirtschaftlicher Üblichkeiten vorliegt, welcher auch nicht gerechtfertigt werden kann, indem das Argument der Systemrelevanz über Gebühr strapaziert wird. Denn systemrelevant sind im Kapitalismus nicht die Akteure, sondern der Ausgleich von Interessen, welche sich über Märkte artikulieren. Wie man weiß, sind Preisverzerrungen aufgrund staatlicher Intervention stets die Quelle von Fehlallokationen.

Die in diesem Zusammenhang relevante Preisverzerrung ist die steuerliche Benachteiligung des Eigenkapitals gegenüber dem Fremdkapital, welche zu den eingetretenen Überschuldungsentwicklungen maßgeblich beigetragen hat, obwohl die damit einhergehende Fehlallokation von Geldvermögen, bisher in keiner Weise als Ursache für die gegenwärtigen Probleme identifiziert worden wäre. Aber ungeachtet des Fehlens einer angemessenen Ursachenanalyse wird das Verschuldungspotential des Staates durch eine universelle Rettungsphilosophie über Gebühr beansprucht, mit der Folge, daß das eigentlich dem privaten Sektor anheimfallende Problem der Absicherung von Forderungen nun auf die staatliche Ebene verschoben wird.

Die Übernahme von Verbindlichkeiten, die aus Fehlspekulationen von Finanzinstituten resultieren, kann aber nicht Sinn und Zweck der Staatsverschuldung sein. Daher erscheint es legitim, die dem Staat von dem Bankensektor aufgebürdeten Lasten dadurch zu neutralisieren, daß die übernommenen Verbindlichkeiten und Garantien des Staates durch eine Liquidisierung von Forderungen der Privaten kompensiert werden. Dabei ist nicht entscheidend, daß der Wegfall der Verzinsung der liquidisierten Staatspapiere die Geschäftsstrategie der betroffenen Finanzinstitute tangiert. Es geht also im wesentlichen darum, den Staat im Ausmaß der für den privaten Finanzsektor übernommenen Lasten zu entlasten, indem entgegen der ordnungspolitisch eigentlich korrekten Verfahrensweise der Nichtfinanzierung des Staatshaushaltes durch die Notenbank eine Finanzierung insofern in Frage kommt, als es nicht das Verschulden des Staates war, das zu den Überschuldungserscheinungen in vielen Staaten der EURO-Zone geführt hat.

Das Alternativkonzept - Schuldenprobleme mit neuen Schulden zu „bekämpfen“ - bedeutet essenziell, daß es hauptsächlich darum geht, sowohl die Vermögensbestandssicherheit der Staatsanleihen sowie den Zinsertrag für die Gläubiger zu erhalten, nicht aber darum ein Schuldenproblem zu lösen. Es wird zwar insofern gelöst, als ein weiterer Bürge in eine bestehende Kreditkette eintritt, so daß der Hauptzweck darin besteht, die Verzinsung der fraglichen Wertpapiere zu erhalten sowie die Forderung in ihrem Bestand abzusichern. So gesehen ist die Opposition gegen eine Finanzierung der Staatsschuld durch die Notenbank nicht eine Opposition, die von der Sorge über eine mögliche Geldentwertung getragen ist, sondern davon, daß die Staatsschuld nicht mehr eine garantierte und risikolose Verzinsung bietet. Denn dann müssen Ersparnisse eher in risikobehafteten Aktiva angelegt werden.

Aus diesen Gründen ist es daher geboten, den immer weniger tragbaren Lasten, welche aus der Bankenrettung den Staaten aufgebürdet werden dadurch zu begegnen, daß die Staaten im Ausmaß ihres Engagements im Rahmen der Rettung des Bankensystems in irgendeiner Weise durch die EZB bzw. durch die jeweiligen nationalen Zentralbanken von den von privaten Finanzinstituten erzeugten Verbindlichkeiten entlastet werden. Das kann dadurch erfolgen, daß der EFSF bzw. ESM eine Ermächtigung erhalten im Ausmaß der staatlichen Schuldübernahme eine direkte Finanzierung der Staatsschuld vorzunehmen; wahlweise könnte man auch einen Sondervermögen “Bankenrettung” per EZB-Kredit auflegen, welcher für die Staaten den Vorteil hätte, daß sie über einige Jahre auf eine Beanspruchung des Kapitalmarktes verzichten könnten, so daß zumindest für einige Zeit das staatliche Schuldenproblem nachhaltig entspannt werden könnte.

Die Mehrzahl aller Ökonomen werden sich gegen die Alternative stellen, einen gewissen Teil der Staatsschulden zu liquidisieren. Das begründet sich aus dem alten Fehlglauben, daß die Quantitätstheorie eine Verbindung zwischen Geld und Realgüter herstellt und damit unmittelbare Inflationsgefahren erzeugt werden. Daß das nur eine Scheinwahrheit ist, müßte inzwischen im Zuge der Aufblähung der internationalen Finanzmärkte fundamental anders interpretiert werden. Richtig für den vorliegenden Fall ist, daß dadurch hochliquide Aktiva, die sowieso jederzeit zur Refinanzierung bei der jeweiligen nationalen Zentralbank eingereicht werden können, zu Liquidität gemacht werden, ohne daß nun ein automatischer Rücktausch in ein zinstragendes Wertpapier, wie es üblicherweise im Rahmen der Revolvierung von Staatsschulden passiert, möglich ist. Die Alternative zu der Schuldenreduzierung ist die weitere Aufschuldung über das als nachhaltig tragfähig angesehene Maß hinaus, was jedoch mittelfristig zu der Gefahr führt, daß Staatsschuldverschreibungen zu einem unsicheren Engagement werden und wiederum die Gefahr besteht, die entsprechenden Forderungen abzuschreib zu müssen. Statt also langfristig das Risiko eines Staatsbankrotts mit nachfolgendem Schuldenschnitt einzugehen erscheint es erfolgversprechender, den Verschuldungsüberhang der Staaten über die EZB zu liquidisieren. Und solange der Nennwert von Staatsschuldverschreibungen sicher ist, kann die verlorengegangene Rendite von den Geldanlegern verschmerzt werden. Einen Ertrag nicht mehr zu bekommen ist etwas anderes, als das eingesetzte Geld zu verlieren!

Anders gesagt: das Liquidisieren von Staatsschulden ändert nicht die Nettogeldvermögensposition der Gläubiger sondern nur die Zusammensetzung von Vermögen. Dabei wird der Druck der Vermögensverwalter eben dieses Vermögen zinsbringend anzulegen dazu führen, daß – wie bei jedem ordentlichen QE – die Kurse der zinstragenden Wertpapiere steigen. Ob das Investitionsvolumen dann auf den Finanzmärkten verbleibt, oder tatsächlich für Investitionen in z.B. die Energieinfrastruktur geht, ist davon abhängig, welche Richtungsentscheidungen die Politik für die Zukunft fällt. Die Chancen sind da, sie müssen nur ergriffen werden!

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