Daß es eine Fehlkonstruktion im EZB-System gab ist schon richtig. Allerdings nicht die, die immer wieder kolportiert wird. Denn es ist falsch zu behaupten, daß der EURO-Fehler daran liegt, daß es keinen Finanzausgleich, keinen “Fiskalpakt”, kein EU-Finanzministerium oder ähnliche Bürokratiemonster gibt. Der Glaube, daß eine Währungsunion nur dann funktionieren könne, wenn es auch irgendwelche Kompensationsarrangements gibt ist so falsch wie nur irgendwas. Das sollte aus der Geschichte fehlgeschlagener "Modernisierungsversuche" der sogenannten "Entwicklungsländer" inzwischen mehr als eindeutig sein. Warum sich diese Behauptung immer noch hält ist nicht so leicht zu erklären. Aber wahrscheinlich hat das was damit zu tun, daß die Vorstellung, daß die Sozialvorstellung, der "Stärkere" hätte dem "Schwächeren" zu "helfen" immer noch - trotz gegenteiliger Erfahrungen - in den Köpfen von 'nation-designern' herumspukt! Klar, wenn man nicht auf das Geld schauen muß, kann man jedes Wohnzimmer exclusiv einrichten.
Wie aber H.W. Sinn jüngst richtig bemerkte, wächst das Geld nicht auf Bäumen. Genauer: Geld entsteht durch einen Kredit einer Zentralbank und wird durch Kreditverhältnisse ökonomisiert, deren Gegenstand davon geprägt ist, daß sie irgendwie bedient werden müssen - und nicht in jedem Fall zurückgezahlt werden müssen, wie es im Rahmen der Staatsschuldendebatte meist fälschlicherweise behauptet wird. (Warum das so ist, ist eine andere Geschichte.)
Was nun die Fehlkonstruktion an dem EZB-System angeht, läßt sich diese darin sehen, daß die politische Vorstellung, daß es im EURO-Raum mit einer einheitlichen Währungspolitik auch einen einheitlichen Zinssatz gibt, anscheinend bei der Errichtung der Währungsunion Pate gestanden hat. Aber wie das so ist, sind politische Wunschvorstellungen nicht davon geprägt, daß sie irgendwas mit ökonomischen Realitäten zu tun haben. Doch zunächst war das EURO-System von entsprechenden Begleitumständen geprägt, da mit der Einführung des EURO sofort die "Wohltaten" einer stabilen Währung, nämlich vergleichsweise niedrige Zinsen und Kredit ohne Ende, auf alle Beteiligten ausgeschüttet wurden. Das hat auch eine Weile funktioniert.
Die dahinterstehende Lebenslüge ist jedoch, daß allein aus gemeinschaftlich konzipierten Arrangements bereits ein "Gemeinschaftswohl" entstehen müsse. Nur: an dieser Stelle haben die Träumer der EURO-Konzeption die Rechnung ohne die alten Erfahrungen aus der Theorie der Allmende gemacht. Denn ein Gemeinschaftsgut wird immer wieder wegen der Vorstellung übernutzt, daß es ja nicht wesentlich auf einen selbst sondern auf andere zurückfällt, wenn das Gemeinschaftsgut irgendwann nicht mehr die Qualität aufweist, die es nach Maßgabe verantwortungsvoller Nutzung haben müßte. In Bezug auf die Bereitstellung von Zentralbankgeld heißt das, daß nicht nur wie zu Anfang die Annehmlichkeit niedriger Zinsen in Anspruch genommen wurde, sondern auch - wie die TARGET-Debatte zeigt - das Liquiditätspotential des EZB-Systems für die Finanzierung nicht nachhaltiger Wirtschaftspolitik mißbraucht wurde.
Man kommt da nicht drum herum: Kredit ist sowohl eine Preis- als auch eine Mengenfrage! Wenn aber wie in dem gegenwärtigen EURO-System beides eine Allmende ist, braucht man sich nicht zu wundern, daß diese durch diejenigen, die das Wort Stabilitätskultur im Lexikon nachschlagen müssen, aufs Gröblichste mißbraucht wird! Nur: die EURO-Regeln geben das her.
Im Klartext: die Verteilung der Liquidität im EURO-Raum, sowie die Preisgestaltung ist von den nationalen Zentralbanken nicht mehr steuerbar! Das war zwar die politische Intention - schließlich wollte man ja von dem "Zinsdiktat" der Bundesbank "befreit" werden - nur ist das Ergebnis schlimmer als das, was eine stabilitätsorientierte Geldpolitik der Bundesbank jemals hätte anrichten können: denn sobald eine NZB anfängt die Gemeinschaftsvorstellung von Stabilität zu verletzen, schädigt sie automatisch das Gemeinschaftsgut. (Für diejenigen, die sich immer auf die Geschichte berufen, daß Deutschland ja auch den Stabilitätspakt verletzt hätte: dafür gab es a) erhebliche Gründe und b) waren diese Gründe kein Argument dafür, den Stabilitätspakt dauerhaft und vorsätzlich zu verletzen - wie man in der Rückschau leicht erkennen könnte, wenn man es denn wollte.)
Der Kardinalfehler bei der Zusammenstellung der EURO-Belegschaft war der, daß sich die "Planer" davon haben leiten lassen, daß die bloße Einhaltung der Beitrittskriterien schon dazu Veranlassung gab, scheinbar gleiche Sachverhalte auch gleich zu behandeln. Die unausgesprochene Voraussetzung war natürlich, daß das auch nach Beitritt so bleibt. Das Problem dabei heißt jedoch 'post contractual opportunistic behavior' und ist natürlich bestens bekannt; nur dann nicht, wenn man mit Scheuklappen durch die politische Welt rennt. (Daß man sich bei der Deklaration der Erfüllung der Beitrittskonditionen über den Tisch ziehen läßt, ist eine andere Geschichte - die allerdings ziemlich uninteressant ist.) Wäre das von vornherein gesehen worden, wäre spätestens mit der Virulenz der TARGET-Salden die Alarmglocke losgegangen, d.h. vor über 3 Jahren! Denn normalerweise hätte der Inter-Zentralbankenmarkt bereits dafür gesorgt, daß dem Kreditbegehren der “Südflanke” sowohl ein Preis- als auch ein Mengenriegel vorgeschoben worden wäre. (Das war die Zeit, wo die Ratingagenturen noch in ihrem selbstbeweihräucherten Gesundheitsschlaf gelegen haben.) Die politisch verkorkste Konzeption des EURO-Systems hat jedoch die Selbstreinigungsmechanismen des EURO-Interbankenmarktes amputiert, so daß das Ergebnis auch nicht anders sein kann. Woran liegts? Das liegt daran, daß das TARGET-System das Kontrahendenrisiko, welches zwischen Geschäftsbanken bei Zweifeln an der Bonität einer Geschäftsbank sofort die Anpassung der Kreditkonditionen hervorrufen würde, wegen der Abwicklung über die nationalen Zentralbanken neutralisiert wird.
Wie H.W. Sinn jüngst sagte: "Wenn sich die Zinsen wieder ausspreizen nach der Bonität..." dann werden die Bonitätsrelationen wieder den tatsächlichen Bedingungen angepaßt! Und natürlich ist auch die Mengenkomponente maßgeblich, denn ein Gläubiger, der nach den Regeln eines ordentlichen Kaufmanns operiert wird nie einen Kredit ausreichen, von dem angenommen werden kann, daß der Schuldner damit in eine unhaltbare - neudeutsch: nicht nachhaltige - Situation gerät.
Und was kann man jetzt tun? Erstens muß man akzeptieren, daß das Kind in den Brunnen gefallen ist und dort wieder herausgeholt werden muß! Das bedeutet, daß europaweit die staatlichen Schuldenquoten wieder auf ein handhabbares Maß zurückgeschraubt werden.
Dafür kann man zum einen z.B. einen EURO-Fonds “Bankenrettung” mit Hilfe einer EU-Anleihe auflegen, der nicht nur die “Südflanke”, sondern auch die vermeintlich "starken" Länder des “Nordens” von ihrer Schuldenquote entlastet, die im Zuge der Bankenrettungen vielfach zu einer Überschreitung der Maastricht-Kriterien geführt hat. Es ist nämlich ein Irrtum zu vermuten, daß sich die Bonität Deutschlands nach xyz "Rettungspaketen" mittelfristig noch irgendwie darstellen läßt. Auch da tickt die Uhr schon und es ist keine Beruhigung, daß erst andere Länder "dran" sind! (Dagegen führt die Idee, einer EU-Einrichtung die Entscheidung darüber zu überlassen, wer wieviel an EURO-Bonds zugesprochen bekommt, in den direkten Untergang. So wird das nie was mit der Welt-Reservewährung; wie das geht kann man sich bei der Geschichte der DM ansehen!)
Das Zweite ist, daß unterschiedliche Dinge auch wieder unterschiedlich behandelt werden müssen. Es darf nicht sein, daß die normalen marktwirtschaftlichen Reaktionen, die sich in der freien Entscheidung über Kreditmengen und Zinssätzen widerspiegeln, unterbleiben und dadurch erst die Fehlsteuerung erfolgt, die sich in den Ungleichgewichten der Liquiditätsverteilung im Rahmen des TARGET-Systems zeigen. Das ist eine falsch verstandene EU-Vereinheitlichungspolitik! Der damalige französische Wunsch, vom "Zinsdiktat" der Bundesbank wegzukommen war zwar verständlich, nur daß dabei übersehen wurde, daß es - auch bei einem unterstellten Abhängigkeitsverhältnis - jedem nützt, die vorgegebenen Stabilitätskriterien einzuhalten! Das Beispiel von Österreich, Niederlande etc. zeigt eindrücklich, was die Vorteile der deutschen Stabilitätskultur sind.
Was lernt man daraus? Wenn in diesem Wirtschafts-Europa irgendetwas dringend vereinheitlicht werden muß, dann sind es die Qualitätsnormen der Kreditvergabe. Bei dieser Aufgabe haben offensichtlich auch die Basel II Kriterien keine rühmliche Rolle gespielt. Und auch die Konzession der EZB an die nationalen Zentralbanken selbst zu entscheiden, was als collateral akzeptabel ist, ist keine Entwicklung, die einen Beitrag zu einer Lösung der EURO-Krise leisten würde. Es geht kein Weg dran vorbei: die europäische Finanzaufsicht muß aus ihrem Schattendasein hinaustreten und die ihr gestellte Aufgabe mit Inhalt füllen. Erst wenn diese Aufgabe erfolgreich erledigt ist, kann man sich wieder europäischen Vereinheitlichungsphantasien hingeben!
Freitag, 27. April 2012
Donnerstag, 26. April 2012
Privater Ertragsverlust statt Staatshaftung
Die Bundesregierung hat sich seit Eintreten der Finanzkrise in zwei Zwangslagen hineinmanövrieren lassen: Erstens Bankenrettung, zweitens Griechenlandrettung!
A: Die Bankenrettung war Ausdruck der Sorge um einen „Zusammenbruch“ des Bankensystems. Der Grund dafür, daß man überhaupt von einer Zusammenbruchsgefahr sprechen konnte war ja nicht etwa der “Zusammenbruch” einer bekannten Investmentbank, sondern die Konkursregeln, welche darauf hinwirkten, daß vielen Finanzmarktteilnehmern klar wurde, daß die Beachtung von Liquiditätsregeln nicht nur eine theoretische Bedeutung hat. Der gegenwärtige Stand der Dinge sieht vor, daß sowohl bei Illiquidität (Zahlungsunfähigkeit) sowie bei Überschuldung ein Konkursantrag gestellt werden muß! Dabei gilt im Zusammenhang mit Banken: Illiquidität kann IMMER durch die Zentralbank verhindert werden (auch und insbesondere im Falle eines bank-run) während Überschuldung bei einer Geschäftsbank im mittelfristigen Zeitablauf fast immer herauswächst, da die Aktivseite einer Bankbilanz i.d.R. schneller wächst als die Passivseite!
B: Die Griechenlandrettung war eine derivative Bankenrettung, da hier – wie bei A – die Folgen der Abschreibung von griechischen Staatspapieren Rückwirkungen auf den Vermögenstatus der Gläubigerbanken haben.
Ordnungspolitisch gesehen gibt es weder für A noch B eine Rechtfertigung dafür, daß die Bundesregierung (mit anderen Regierungen) dafür geradesteht, daß private Vermögen vor einem Verlust zu schützen sind. Einzig kann vorgebracht werden, daß in der Vergangenheit die Anlagerichtlinien für die Verwaltung von „schützenswerten“ Anlagen (Pension, Mündel etc.) auf Staatspapiere ausgerichtet war. Insofern ist der Vorwurf seitens der Banken, daß daraus durchaus eine Mitverantwortung der Regierungen resultiert, durchaus nachvollziehbar und damit die gegenwärtige aktuelle Schieflage bei den Banken auch als Fehleinschätzung über die absolute Sicherheit von Staatsanleihen zu begreifen.
Die Kontroverse um die Nachhaltigkeit der Staatsverschuldung existert in Deutschland zwar schon seit 50 Jahren, jedoch ist sie dadurch überlagert worden, daß die Wachstumsraten Deutschlands in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Bildung von wertfixiertem und ertragsfixiertem Nettogeldvermögen in Form der Staatsanleihen möglich gemacht haben. Gleichzeitig ging damit einher, daß damit quasi auch Kredite an Unternehmen gegen konjunkturelle Schwankungen „abgesichert“ werden konnten, insofern als die permanent steigende Staatsverschuldung über den Nachfrageeffekt die Werthaltigkeit privaten Kapitals stützte.
Ein anderes Problem entstand nach Einführung des EURO und betrifft den Irrtum der Finanzmärkte, daß eine einheitliche Währung auch ein einheitliches Ausfallrisiko bedeutet. Das heißt, daß die niedrigen Zinssätze Folge einer vermeintlichen Verringerung des Anlegerrisikos waren und infolgedessen die Kreditvergabe vielfach ohne ernsthafte Bonitätsprüfungen erfolgte. Das Ergebnis dieser Fehleinschätzungen führte dann zu der Notwendigkeit, die notleidenden Institute mit nicht marktkonformen Instrumenten - mehr oder weniger künstlich - am Leben zu erhalten.
Die Strategie, die herrschenden Verhältnisse dadurch zu „retten“, daß die von den Finanzinstituten nicht adressierten Risiken nunmehr für diese konsequenzlos auf den Staat übertragen werden bedeutet, daß ordnungspolitisch ein Verstoß gegen die Prinzipien marktwirtschaftlicher Üblichkeiten vorliegt, welcher auch nicht gerechtfertigt werden kann, indem das Argument der Systemrelevanz über Gebühr strapaziert wird. Denn systemrelevant sind im Kapitalismus nicht die Akteure, sondern der Ausgleich von Interessen, welche sich über Märkte artikulieren. Wie man weiß, sind Preisverzerrungen aufgrund staatlicher Intervention stets die Quelle von Fehlallokationen.
Die in diesem Zusammenhang relevante Preisverzerrung ist die steuerliche Benachteiligung des Eigenkapitals gegenüber dem Fremdkapital, welche zu den eingetretenen Überschuldungsentwicklungen maßgeblich beigetragen hat, obwohl die damit einhergehende Fehlallokation von Geldvermögen, bisher in keiner Weise als Ursache für die gegenwärtigen Probleme identifiziert worden wäre. Aber ungeachtet des Fehlens einer angemessenen Ursachenanalyse wird das Verschuldungspotential des Staates durch eine universelle Rettungsphilosophie über Gebühr beansprucht, mit der Folge, daß das eigentlich dem privaten Sektor anheimfallende Problem der Absicherung von Forderungen nun auf die staatliche Ebene verschoben wird.
Die Übernahme von Verbindlichkeiten, die aus Fehlspekulationen von Finanzinstituten resultieren, kann aber nicht Sinn und Zweck der Staatsverschuldung sein. Daher erscheint es legitim, die dem Staat von dem Bankensektor aufgebürdeten Lasten dadurch zu neutralisieren, daß die übernommenen Verbindlichkeiten und Garantien des Staates durch eine Liquidisierung von Forderungen der Privaten kompensiert werden. Dabei ist nicht entscheidend, daß der Wegfall der Verzinsung der liquidisierten Staatspapiere die Geschäftsstrategie der betroffenen Finanzinstitute tangiert. Es geht also im wesentlichen darum, den Staat im Ausmaß der für den privaten Finanzsektor übernommenen Lasten zu entlasten, indem entgegen der ordnungspolitisch eigentlich korrekten Verfahrensweise der Nichtfinanzierung des Staatshaushaltes durch die Notenbank eine Finanzierung insofern in Frage kommt, als es nicht das Verschulden des Staates war, das zu den Überschuldungserscheinungen in vielen Staaten der EURO-Zone geführt hat.
Das Alternativkonzept - Schuldenprobleme mit neuen Schulden zu „bekämpfen“ - bedeutet essenziell, daß es hauptsächlich darum geht, sowohl die Vermögensbestandssicherheit der Staatsanleihen sowie den Zinsertrag für die Gläubiger zu erhalten, nicht aber darum ein Schuldenproblem zu lösen. Es wird zwar insofern gelöst, als ein weiterer Bürge in eine bestehende Kreditkette eintritt, so daß der Hauptzweck darin besteht, die Verzinsung der fraglichen Wertpapiere zu erhalten sowie die Forderung in ihrem Bestand abzusichern. So gesehen ist die Opposition gegen eine Finanzierung der Staatsschuld durch die Notenbank nicht eine Opposition, die von der Sorge über eine mögliche Geldentwertung getragen ist, sondern davon, daß die Staatsschuld nicht mehr eine garantierte und risikolose Verzinsung bietet. Denn dann müssen Ersparnisse eher in risikobehafteten Aktiva angelegt werden.
Aus diesen Gründen ist es daher geboten, den immer weniger tragbaren Lasten, welche aus der Bankenrettung den Staaten aufgebürdet werden dadurch zu begegnen, daß die Staaten im Ausmaß ihres Engagements im Rahmen der Rettung des Bankensystems in irgendeiner Weise durch die EZB bzw. durch die jeweiligen nationalen Zentralbanken von den von privaten Finanzinstituten erzeugten Verbindlichkeiten entlastet werden. Das kann dadurch erfolgen, daß der EFSF bzw. ESM eine Ermächtigung erhalten im Ausmaß der staatlichen Schuldübernahme eine direkte Finanzierung der Staatsschuld vorzunehmen; wahlweise könnte man auch einen Sondervermögen “Bankenrettung” per EZB-Kredit auflegen, welcher für die Staaten den Vorteil hätte, daß sie über einige Jahre auf eine Beanspruchung des Kapitalmarktes verzichten könnten, so daß zumindest für einige Zeit das staatliche Schuldenproblem nachhaltig entspannt werden könnte.
Die Mehrzahl aller Ökonomen werden sich gegen die Alternative stellen, einen gewissen Teil der Staatsschulden zu liquidisieren. Das begründet sich aus dem alten Fehlglauben, daß die Quantitätstheorie eine Verbindung zwischen Geld und Realgüter herstellt und damit unmittelbare Inflationsgefahren erzeugt werden. Daß das nur eine Scheinwahrheit ist, müßte inzwischen im Zuge der Aufblähung der internationalen Finanzmärkte fundamental anders interpretiert werden. Richtig für den vorliegenden Fall ist, daß dadurch hochliquide Aktiva, die sowieso jederzeit zur Refinanzierung bei der jeweiligen nationalen Zentralbank eingereicht werden können, zu Liquidität gemacht werden, ohne daß nun ein automatischer Rücktausch in ein zinstragendes Wertpapier, wie es üblicherweise im Rahmen der Revolvierung von Staatsschulden passiert, möglich ist. Die Alternative zu der Schuldenreduzierung ist die weitere Aufschuldung über das als nachhaltig tragfähig angesehene Maß hinaus, was jedoch mittelfristig zu der Gefahr führt, daß Staatsschuldverschreibungen zu einem unsicheren Engagement werden und wiederum die Gefahr besteht, die entsprechenden Forderungen abzuschreib zu müssen. Statt also langfristig das Risiko eines Staatsbankrotts mit nachfolgendem Schuldenschnitt einzugehen erscheint es erfolgversprechender, den Verschuldungsüberhang der Staaten über die EZB zu liquidisieren. Und solange der Nennwert von Staatsschuldverschreibungen sicher ist, kann die verlorengegangene Rendite von den Geldanlegern verschmerzt werden. Einen Ertrag nicht mehr zu bekommen ist etwas anderes, als das eingesetzte Geld zu verlieren!
Anders gesagt: das Liquidisieren von Staatsschulden ändert nicht die Nettogeldvermögensposition der Gläubiger sondern nur die Zusammensetzung von Vermögen. Dabei wird der Druck der Vermögensverwalter eben dieses Vermögen zinsbringend anzulegen dazu führen, daß – wie bei jedem ordentlichen QE – die Kurse der zinstragenden Wertpapiere steigen. Ob das Investitionsvolumen dann auf den Finanzmärkten verbleibt, oder tatsächlich für Investitionen in z.B. die Energieinfrastruktur geht, ist davon abhängig, welche Richtungsentscheidungen die Politik für die Zukunft fällt. Die Chancen sind da, sie müssen nur ergriffen werden!
A: Die Bankenrettung war Ausdruck der Sorge um einen „Zusammenbruch“ des Bankensystems. Der Grund dafür, daß man überhaupt von einer Zusammenbruchsgefahr sprechen konnte war ja nicht etwa der “Zusammenbruch” einer bekannten Investmentbank, sondern die Konkursregeln, welche darauf hinwirkten, daß vielen Finanzmarktteilnehmern klar wurde, daß die Beachtung von Liquiditätsregeln nicht nur eine theoretische Bedeutung hat. Der gegenwärtige Stand der Dinge sieht vor, daß sowohl bei Illiquidität (Zahlungsunfähigkeit) sowie bei Überschuldung ein Konkursantrag gestellt werden muß! Dabei gilt im Zusammenhang mit Banken: Illiquidität kann IMMER durch die Zentralbank verhindert werden (auch und insbesondere im Falle eines bank-run) während Überschuldung bei einer Geschäftsbank im mittelfristigen Zeitablauf fast immer herauswächst, da die Aktivseite einer Bankbilanz i.d.R. schneller wächst als die Passivseite!
B: Die Griechenlandrettung war eine derivative Bankenrettung, da hier – wie bei A – die Folgen der Abschreibung von griechischen Staatspapieren Rückwirkungen auf den Vermögenstatus der Gläubigerbanken haben.
Ordnungspolitisch gesehen gibt es weder für A noch B eine Rechtfertigung dafür, daß die Bundesregierung (mit anderen Regierungen) dafür geradesteht, daß private Vermögen vor einem Verlust zu schützen sind. Einzig kann vorgebracht werden, daß in der Vergangenheit die Anlagerichtlinien für die Verwaltung von „schützenswerten“ Anlagen (Pension, Mündel etc.) auf Staatspapiere ausgerichtet war. Insofern ist der Vorwurf seitens der Banken, daß daraus durchaus eine Mitverantwortung der Regierungen resultiert, durchaus nachvollziehbar und damit die gegenwärtige aktuelle Schieflage bei den Banken auch als Fehleinschätzung über die absolute Sicherheit von Staatsanleihen zu begreifen.
Die Kontroverse um die Nachhaltigkeit der Staatsverschuldung existert in Deutschland zwar schon seit 50 Jahren, jedoch ist sie dadurch überlagert worden, daß die Wachstumsraten Deutschlands in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Bildung von wertfixiertem und ertragsfixiertem Nettogeldvermögen in Form der Staatsanleihen möglich gemacht haben. Gleichzeitig ging damit einher, daß damit quasi auch Kredite an Unternehmen gegen konjunkturelle Schwankungen „abgesichert“ werden konnten, insofern als die permanent steigende Staatsverschuldung über den Nachfrageeffekt die Werthaltigkeit privaten Kapitals stützte.
Ein anderes Problem entstand nach Einführung des EURO und betrifft den Irrtum der Finanzmärkte, daß eine einheitliche Währung auch ein einheitliches Ausfallrisiko bedeutet. Das heißt, daß die niedrigen Zinssätze Folge einer vermeintlichen Verringerung des Anlegerrisikos waren und infolgedessen die Kreditvergabe vielfach ohne ernsthafte Bonitätsprüfungen erfolgte. Das Ergebnis dieser Fehleinschätzungen führte dann zu der Notwendigkeit, die notleidenden Institute mit nicht marktkonformen Instrumenten - mehr oder weniger künstlich - am Leben zu erhalten.
Die Strategie, die herrschenden Verhältnisse dadurch zu „retten“, daß die von den Finanzinstituten nicht adressierten Risiken nunmehr für diese konsequenzlos auf den Staat übertragen werden bedeutet, daß ordnungspolitisch ein Verstoß gegen die Prinzipien marktwirtschaftlicher Üblichkeiten vorliegt, welcher auch nicht gerechtfertigt werden kann, indem das Argument der Systemrelevanz über Gebühr strapaziert wird. Denn systemrelevant sind im Kapitalismus nicht die Akteure, sondern der Ausgleich von Interessen, welche sich über Märkte artikulieren. Wie man weiß, sind Preisverzerrungen aufgrund staatlicher Intervention stets die Quelle von Fehlallokationen.
Die in diesem Zusammenhang relevante Preisverzerrung ist die steuerliche Benachteiligung des Eigenkapitals gegenüber dem Fremdkapital, welche zu den eingetretenen Überschuldungsentwicklungen maßgeblich beigetragen hat, obwohl die damit einhergehende Fehlallokation von Geldvermögen, bisher in keiner Weise als Ursache für die gegenwärtigen Probleme identifiziert worden wäre. Aber ungeachtet des Fehlens einer angemessenen Ursachenanalyse wird das Verschuldungspotential des Staates durch eine universelle Rettungsphilosophie über Gebühr beansprucht, mit der Folge, daß das eigentlich dem privaten Sektor anheimfallende Problem der Absicherung von Forderungen nun auf die staatliche Ebene verschoben wird.
Die Übernahme von Verbindlichkeiten, die aus Fehlspekulationen von Finanzinstituten resultieren, kann aber nicht Sinn und Zweck der Staatsverschuldung sein. Daher erscheint es legitim, die dem Staat von dem Bankensektor aufgebürdeten Lasten dadurch zu neutralisieren, daß die übernommenen Verbindlichkeiten und Garantien des Staates durch eine Liquidisierung von Forderungen der Privaten kompensiert werden. Dabei ist nicht entscheidend, daß der Wegfall der Verzinsung der liquidisierten Staatspapiere die Geschäftsstrategie der betroffenen Finanzinstitute tangiert. Es geht also im wesentlichen darum, den Staat im Ausmaß der für den privaten Finanzsektor übernommenen Lasten zu entlasten, indem entgegen der ordnungspolitisch eigentlich korrekten Verfahrensweise der Nichtfinanzierung des Staatshaushaltes durch die Notenbank eine Finanzierung insofern in Frage kommt, als es nicht das Verschulden des Staates war, das zu den Überschuldungserscheinungen in vielen Staaten der EURO-Zone geführt hat.
Das Alternativkonzept - Schuldenprobleme mit neuen Schulden zu „bekämpfen“ - bedeutet essenziell, daß es hauptsächlich darum geht, sowohl die Vermögensbestandssicherheit der Staatsanleihen sowie den Zinsertrag für die Gläubiger zu erhalten, nicht aber darum ein Schuldenproblem zu lösen. Es wird zwar insofern gelöst, als ein weiterer Bürge in eine bestehende Kreditkette eintritt, so daß der Hauptzweck darin besteht, die Verzinsung der fraglichen Wertpapiere zu erhalten sowie die Forderung in ihrem Bestand abzusichern. So gesehen ist die Opposition gegen eine Finanzierung der Staatsschuld durch die Notenbank nicht eine Opposition, die von der Sorge über eine mögliche Geldentwertung getragen ist, sondern davon, daß die Staatsschuld nicht mehr eine garantierte und risikolose Verzinsung bietet. Denn dann müssen Ersparnisse eher in risikobehafteten Aktiva angelegt werden.
Aus diesen Gründen ist es daher geboten, den immer weniger tragbaren Lasten, welche aus der Bankenrettung den Staaten aufgebürdet werden dadurch zu begegnen, daß die Staaten im Ausmaß ihres Engagements im Rahmen der Rettung des Bankensystems in irgendeiner Weise durch die EZB bzw. durch die jeweiligen nationalen Zentralbanken von den von privaten Finanzinstituten erzeugten Verbindlichkeiten entlastet werden. Das kann dadurch erfolgen, daß der EFSF bzw. ESM eine Ermächtigung erhalten im Ausmaß der staatlichen Schuldübernahme eine direkte Finanzierung der Staatsschuld vorzunehmen; wahlweise könnte man auch einen Sondervermögen “Bankenrettung” per EZB-Kredit auflegen, welcher für die Staaten den Vorteil hätte, daß sie über einige Jahre auf eine Beanspruchung des Kapitalmarktes verzichten könnten, so daß zumindest für einige Zeit das staatliche Schuldenproblem nachhaltig entspannt werden könnte.
Die Mehrzahl aller Ökonomen werden sich gegen die Alternative stellen, einen gewissen Teil der Staatsschulden zu liquidisieren. Das begründet sich aus dem alten Fehlglauben, daß die Quantitätstheorie eine Verbindung zwischen Geld und Realgüter herstellt und damit unmittelbare Inflationsgefahren erzeugt werden. Daß das nur eine Scheinwahrheit ist, müßte inzwischen im Zuge der Aufblähung der internationalen Finanzmärkte fundamental anders interpretiert werden. Richtig für den vorliegenden Fall ist, daß dadurch hochliquide Aktiva, die sowieso jederzeit zur Refinanzierung bei der jeweiligen nationalen Zentralbank eingereicht werden können, zu Liquidität gemacht werden, ohne daß nun ein automatischer Rücktausch in ein zinstragendes Wertpapier, wie es üblicherweise im Rahmen der Revolvierung von Staatsschulden passiert, möglich ist. Die Alternative zu der Schuldenreduzierung ist die weitere Aufschuldung über das als nachhaltig tragfähig angesehene Maß hinaus, was jedoch mittelfristig zu der Gefahr führt, daß Staatsschuldverschreibungen zu einem unsicheren Engagement werden und wiederum die Gefahr besteht, die entsprechenden Forderungen abzuschreib zu müssen. Statt also langfristig das Risiko eines Staatsbankrotts mit nachfolgendem Schuldenschnitt einzugehen erscheint es erfolgversprechender, den Verschuldungsüberhang der Staaten über die EZB zu liquidisieren. Und solange der Nennwert von Staatsschuldverschreibungen sicher ist, kann die verlorengegangene Rendite von den Geldanlegern verschmerzt werden. Einen Ertrag nicht mehr zu bekommen ist etwas anderes, als das eingesetzte Geld zu verlieren!
Anders gesagt: das Liquidisieren von Staatsschulden ändert nicht die Nettogeldvermögensposition der Gläubiger sondern nur die Zusammensetzung von Vermögen. Dabei wird der Druck der Vermögensverwalter eben dieses Vermögen zinsbringend anzulegen dazu führen, daß – wie bei jedem ordentlichen QE – die Kurse der zinstragenden Wertpapiere steigen. Ob das Investitionsvolumen dann auf den Finanzmärkten verbleibt, oder tatsächlich für Investitionen in z.B. die Energieinfrastruktur geht, ist davon abhängig, welche Richtungsentscheidungen die Politik für die Zukunft fällt. Die Chancen sind da, sie müssen nur ergriffen werden!
Samstag, 21. April 2012
Begründung und Gedanken zu perspektivischen Verfahrensweisen zur
Überwindung der Staatsschulden- und Wachstumskrise in der europäischen Union
1) Zur Ausgangssituation
Die Krise der europäischen Union bezieht sich seit dem
Ausbruch der Finanzkrise im Anschluß an die Überschuldungskrise der
US-Hypothekenmärkte auf mehrere Aspekte:
Ø
Zum Einen erhielt, durch die
Konsolidierungsbemühungen der EU-Staaten, der langjährige Trend zur Verletzung
der Maastricht-Kriterien hinsichtlich des 60%-Kriteriums neue Nahrung
während
Ø
zum Anderen sich herausstellte, daß eine
ausufernde Staatsverschuldung sich als erhebliches Hemmnis für eine
verstetigende Wachstumspolitik erweist.
Eine umfassende Konzeption für die Neuausrichtung der europäischen
Wachstumsstrategie, weg von der stets momentbezogenen Krisenbewältigung hin zu
einer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik, zugleich verbunden mit einer
Beruhigung der Spannungen an den Finanzmärkten, kann und muß Gebot der Stunde
sein.
2) Risiken der aktuellen Finanzverfassung
Die Gründe die eine Anpassung der Finanzverfassung im
EURO-Raum zur Unterstützung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes erforderlich
erscheinen lassen, finden sich in folgenden Punkten:
Ø
Von den Finanzmärkten wird das Erreichen der
100% Staatsschuldenquote mit äußerstem Mißtrauen begleitet, so daß davon
ausgegangen werden kann, daß eine weitere Erhöhung der Schuldenstände zu
untragbaren Zinslasten führen wird.
Ø
Die Finanzpolitik der EZB führt zu einem
Reputationsverlust, welcher die Attraktivität des EURO als Reservewährung auf
den internationalen Finanzmärkten in Frage stellt.
Ø
Die Beibehaltung eines niedrigen Zinsniveaus
trägt zwar einerseits zu einem hohen ‚spread’ bei, der es den Banken
ermöglicht, eingetretene Verlusten aus einer besseren Zinsmarge kompensieren zu
können, bedeutet jedoch andererseits auch, daß – in Verbindung mit der
Vollzuteilungspolitik des EZB-Systems – daß der Hang zu einer unsoliden
Geschäftspolitik keinen fühlbaren zinsinduzierten Druck auf die Einhaltung
erhöhter Bonitätsanforderungen ausübt.
Ø
Die Sparbemühungen der Staaten der EURO-Zone
führen in der Tendenz zu einer Abschwächung der konjunkturellen Entwicklung,
die eine Verstetigung des Wachstums in der EURO-Zone unwahrscheinlicher macht.
Ø
Es erfolgt ein ‚quantitative easing’ über
Kanäle, die dem Geist der Stabilitätsunion zuwidersprechen und das in dieser
Form lediglich zu einer Perpetuierung hoher Schuldenstände führt, ohne daß es
zu einer Umlenkung der Finanzströme in produktive Investitionen kommt.
3) Strukturelle Problembereiche der EURO-Zone
Die ökonomischen Gründe, die in der Konzipierung des
EZB-Systems zu finden sind, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
Ø
Die Installierung eines nach demokratischem
Verfahren (ein Land, eine Stimme) organisierten Abstimmungsprozesses führt zu
einer systematischen Unterlegenheit der Stabilitätsfraktion im EZB-Rat.
Ø
Der Hang der nationalen Zentralbanken,
hauptsächlich die Staatsanleihen des "eigenen" Staates vorbehaltlos
als Sicherheit für die Ausgabe von Zentralbankgeld zu akzeptieren, führt dazu,
daß die nationalen Risikoaspekte nicht in die Refinanzierungsbedingungen der
jeweiligen Geschäftsbanken Eingang finden.
Ø
Die Durchleitung von Liquidität sowohl für
Außenhandelsdefizite sowie für Kapitalflucht über den bedingungslosen Saldenausgleich
des TARGET2-Systems führt zu einer unabdingbaren Refinanzierungsnotwendigkeit
des anspruchnehmenden (überweisenden) nationalen Bankensystems über die
kreditgewährende (intern) bzw. kreditnehmende (extern) nationale Zentralbank,
mit der Folge der zunehmenden Verschlechterung der Besicherungsgrundlagen der
Geldschöpfung derjenigen Banken, die den entsprechenden Zentralbankgeldabfluß
zu garantieren haben.
Ø
Die Nutzung der ELA-Fazilitäten ohne die
Bereitschaft, die globalen Rahmenrichtlinien des EZB-Rates einzuhalten führt zu
einer Unterlaufung der EZB-Stabilisierungspolitik.
Ø
Die Festlegung des Primärziels des EZB-Systems
auf die Erhaltung der Stabilität der Währung, verstanden als 2%-Ziel eines die
EURO-Zone umfassenden Preisindex, führt in der Tendenz zu einer
Vernachlässigung der wesentlich virulenteren Aufgabe, die bonitätstechnische
Überwachung der Kreditinstitute sicherzustellen.
4) Grundlinien einer perspektivischen Gestaltung der EURO-Zone
Die Grundsätze, von denen sich das darzustellende Verfahren
leiten läßt, sind in folgenden Punkten zusammengefaßt:
Ø
Die Erfüllung von Verträgen – auch ihrem Geist
nach - ist eine unverrückbare Grundlage gesellschaftlicher und internationaler
Kooperationsbeziehungen.
Ø
Die drohende Überschuldung fast der gesamten
EURO-Gemeinschaft bedarf einer Entlastung, da sich die erreichten
Schuldenstände in Zukunft als zu große Belastung zur Aufrechterhaltung eines prosperierenden
Gemeinwesens erweisen könnten.
Ø
Eine Abschreibung von Forderungen gegen eine öffentliche
Hand hat automatisch zur Folge, daß daraufhin eine Abschreibung von Forderungen
auch und insbesondere "kleinerer" Sparer erzwungen wird, da
Lebensversicherungen und Pensionsfonds einen erheblichen Anteil an der
Finanzierung staatlicher Schuldenstände haben. Insbesondere dieser Aspekt
stellt erheblichen sozialen und politischen Sprengstoff dar.
Ø
Die EURO-Zone ist finanztechnisch bisher noch
nicht in gleicher Weise überschuldet, wie es bei der USDollar-Zone gegeben ist,
da es in der EURO-Zone bisher noch nicht zu einer erheblichen
Schuldenakkumulation der Zentralgewalt gekommen ist. (EURO-Bonds)
Ø
Die Dämonisierung der Finanzmärkte in Teilen der
Öffentlichkeit übersieht, daß die Operationsweise von Finanzmärkten ein
Spiegelbild der jeweiligen regulativen Struktur ist. Dennoch tragen die Banken eine
gesellschaftlich tragende Rolle und sind daher in einer Wachstumsorientierung
der Wirtschaftspolitik in entsprechender Weise mit eingebunden.
Ø
Die Erkenntnis, daß die Errichtung einer
tragfähigen und nachhaltigen europäischen Währung bisher schon in Teilbereichen
geglückt ist, begründet die aussichtsreiche Perspektive, daß mit einer
zielgerichteten Nachjustierung in den problematischen Gestaltungsfragen zu
einer nachhaltigen Lösung zugunsten aller beteiligten Staaten der
EURO-Gemeinschaft gefunden werden kann.
5) Maßnahmen zur nachhaltigen Konsolidierung der EURO-Zone
5.1) Schuldenliquidisierung statt Schuldenschnitt
Zur Abwehr der derzeitigen Turbulenzen an den Kapitalmärkten
wäre es sachgerecht und erforderlich EINMALIG einen "Lastenfonds
Bankenrettung" aufzulegen, der von ALLEN Staaten der EURO-Zone einen Teil
des Schuldenstandes übernimmt und so die Staatsschuldenquoten tendenziell
Richtung Maastricht-konformen 60% drückt.
5.2) Neutralisierung der Schuldenlasten, Konsolidierungsbeitrag der EZB
Zur Konsolidierung der laufenden Defizite könnte dieser Teil
der Staatsschulden, als 'consols' umgewidmet zu einem
"Erinnerungszinssatz" von 0,1% (alternativ zu 10%, wobei die Zinserträge
nach Einhaltung der Stabilitätskriterien verteilt werden) von der EZB oder
einem von der EZB refinanzierten Sonderfonds gehalten werden. Dies kann mit
Hilfe einer darauf abgestimmten Strukturpolitik zu einer Wachstumsphase führen,
welche den Fehler vermeidet, eine Stimulierung der Realwirtschaft nur über die
Beeinflussung des Zinssatzes erreichen zu wollen.
5.3) Emissionsverfahren Zentralbankgeld
Im Gegensatz zur gegenwärtigen Politik des EZB-Systems gibt
die EZB ihre Vollzuteilungspolitik auf und geht dazu über Zentralbankgeld im
Zinstenderverfahren amerikanischen Typs zu emittieren womit sich automatisch
der Zinsfächer, der sich nach der Bonität der jeweiligen Geschäftsbank richtet,
wieder aufspreizt, und so die Zunahme des Zentralbankgeldvolumens tendenziell
wieder rückgängig gemacht wird.
5.4) Konsolidierung der Staatshaushalte
Die beteiligten Staaten verpflichten sich, die aus der
Umwidmung der anteiligen Staatsschulden entfallenden
Zins-Zahlungsverpflichtungen unmittelbar für die Reduktion des laufenden
Staatsdefizits zu verwenden, so daß innerhalb weniger Jahre eine Rückkehr zu
den immer noch gültigen Stabilitätskriterien des Maastricht-Vertrages zu
erreichen sein könnte.
5.5) Beschränkungen der Refinanzierungsoptionen von NZBen
ELA-Fazilitäten dürfen nur zu einem Prohibitivzins erteilt werden,
deren Erträge nach z.B. einem Stabilitätskriterium verteilt werden.
TARGET2-Salden werden nicht mehr nach dem einheitlichen EZB-Refinanzierungssatz
sondern nach banküblichen Sätzen plus Stabilitätsprämie vergeben, die auch die Einschätzung
des Kreditors über die Bonität des mittelbar in Anspruch nehmenden nationalen Bankensystems
berücksichtigt.
5.6) Stimmverteilung im EZB-Rat
Die Stimmverteilung des EZB-Systems wird dahingehend geändert,
daß die Stimmgewichte nach Maßgabe z.B. der Quote am EZB-System bestimmt
werden.
5.7) Stärkung der europäischen Bankaufsicht (EBA)
Zur Vermeidung nicht nachhaltiger Finanzierungspraktiken in
Problemländern sind die Kompetenzen der EBA zu erweitern, um so zu einer
Effektivierung der Kontrolle hinsichtlich der Wahrung eines europäischen
Bonitätsniveaus zu kommen. Wahlweise könnte eine Task-Force Bankenbonität für
die spezifischen Probleme des EURO-Raumes installiert werden, um Interferenzen
mit nicht EURO-Mitgliedern zu vermeiden.
6) Flankierende Maßnahmen zur Wachstumsförderung
Die Effekte des hier vorgeschlagenen (und unvermeidlichen)
QE sind im Gegensatz zu den Erfahrungen der USA (wo sich gezeigt hat, daß die
Erwartung einer Belebung der Wirtschaftstätigkeit allein über eine
zinsinduzierte Transmission unbegründet war) darauf ausgerichtet, das
allgemeine Verschuldungsniveau der EURO-Staaten zu senken. Die Liquidisierung
der Investoren hat jedoch nicht die Stützung von Wertpapierkursen bzw. dazu
korrespondierende Zinssenkungen zum Ziel, sondern die Finanzierung von unternehmerischen
Potentialen. Einige wesentliche Lenkungsmaßnahmen könnten sein:
Ø
die Förderung der Bildung von Eigenkapital durch
eine Anpassung der steuerlichen Vorschriften, welche derzeit die Finanzierung
über Kredit gegenüber der Finanzierung über Eigenkapital bevorzugt. Dieser
programmatische Punkt findet sich auch bereits in dem gegenwärtigen
Koalitionsvertrag.
Ø
Erleichterung bei der Akquise von Eigenkapital,
Entschlackung der Vorschriften bei Aktienemissionen
Ø
Erleichterung von ‚debt-to-equity swaps’ und
Ausrichtung des Regelverfahrens bei drohender oder eingetretener Insolvenz am
„Chapter 11“-Verfahren.
Ø
Die positiven Wirkungen, welche die
„Abwrackprämie“ während der Krise entfalten konnte, läßt es aussichtsreich
erscheinen ebenso Industrie- und Wirtschaftsförderung zu betreiben, indem man
zur Investitionsförderung z.B. Steuergutschriften gewährt, die gegen
Einkommens- oder Gewinnsteuern bis zu einem bestimmten Prozentsatz
gegengerechnet werden können.
Die globale Zielrichtung besteht darin, daß Kreditkonsolidierung
Vorrang vor Kreditakkumulation erhält und damit ein zusätzlicher automatischer
Stabilisator zur Absicherung gegen konjunkturelle Risiken seine Wirkung
entfalten kann.
7) Schlußbemerkungen
Die derzeitige Schuldenkrise von (bisher) einzelnen
EURO-Staaten läßt keine Alternative zu einem europäischen QE zu, d.h. das
derzeit anlaufende QE ist alternativenindifferent. Die Alternative die zu
wählen ist, ist entweder die Perpetuierung des Staatsschuldenwachstums, welches
einen permanenten Krisenmodus der europäischen Politik impliziert, oder die Stimulierung
privater unternehmerischer Investitionen, deren Wachstumswirkungen – hier
bietet sich zuvorderst der Energiesektor aufgrund der eingeschlagenen
Energiepolitik an – zu solide finanzierter Beschäftigung und damit einer
tendenziellen Entlastung der Versorgungspflichten der öffentlichen Hand
beitragen.
Es ist zu erwarten, daß das vorgestellte (zu
vervollständigende) Maßnahmenbündel dazu beiträgt, die Debatte um den
Stabilitätsanspruch der EURO-Zone wieder auf die Füße zu stellen und die
dirigistische sowie die destruktive Lösung - die Etablierung eines
EU-Finanzministeriums mit Transferunion bzw. den Ausschluß eines EURO-Staates -
überflüssig zu machen. Wo finanzielle Dinge anständig geregelt sind, wird ein
"EU-Finanzminister", dessen staatsrechtliche Legitimation – auch
hinsichtlich des einschlägigen Urteils des Bundesverfassungsgerichtes - derzeit
bestenfalls im Nebulösen angesiedelt ist, entbehrlich. Denn in der Geldpolitik
geht es nicht primär darum, durch welche Instrumente, für welche Zwecke Geld bewilligt
werden kann; das ist erst die sekundäre Operation. Ziel von Geldpolitik ist primär
die Etablierung eines einheitlichen Bonitätsniveaus, welches die
Grundvoraussetzung ist, daß interregionale Salden einer Währungsgemeinschaft
eben nicht zu strukturellen Defiziten führen, wie es in der Vergangenheit
geschehen ist und somit die Freiheit des ordentlichen Kaufmanns und des
verantwortungsvoll operierenden Staatswesens auch in Zukunft erhalten werden kann.
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